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Hurdle & Growth Shares – Vermeidung der dry-income Versteuerung durch negative Liquidationspräferenzen?

Inhaltsverzeichnis

Seit einigen Monaten erhalten wir vermehrt Anfragen, ob und wie man eine Mitarbeiterbeteiligung mit sogenannten Hurdle Shares oder Growth Shares gestalten kann. Ein Grund sich das Thema mal genauer anzusehen.

1. Was sind Hurdle oder Growth Shares?

Ganz ehrlich gesprochen: alter Wein in neuen Schläuchen. Denn bei hurdle (auf englisch Hürde) und growth shares handelt es sich nicht um eine neue Beteiligungsform, sondern um ganz normale Beteiligungen an GmbHs, UGs oder anderen Gesellschaftsformen. Diese Beteiligungen werden jedoch mit einem smarten juristischen Kniff modifiziert. Diese Anteile haben somit gesellschaftsrechtlich alle Rechte und Pflichten, die einer solchen Beteiligung innewohnen.

Der/Die beteiligte Mitarbeiter:in hat Stimm-, Ausschüttungs- und Auskunftsrechte. Nachteile wie der obligatorische Gang zum Notar, zur Übertragung der Beteiligung sind aber auch hier Pflicht.

Siehe hierzu auch Mitarbeiterbeteiligung: 6 konkrete Mitarbeiterbeteiligungsmodelle! (dawicon.de)

2. Worin unterscheiden sich hurdle oder growth shares von einer normalen Beteiligung?

Der große Unterschied zur „normalen“ Beteiligung liegt in der satzungs- oder schuldrechtlichen Belastung dieser Anteile mit so genannten negativen Liquidationspräferenzen (manchmal auch NLP abgekürzt). Kurz gesagt, die Anteile sind finanziell benachteiligt und haben somit zum Zeitpunkt der Übertragung keinen messbaren Wert. Bei richtiger Ausgestaltung lässt sich hiermit die Besteuerung zum Übertragungszeitpunkt verhindern, da kein geldwerter Vorteil entsteht. Die so genannte Dry-Income Versteuerung wird hierdurch umgangen.

Aber Vorsicht, es sind ein paar Voraussetzungen zu erfüllen, auf die wir später noch eingehen.

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3. Was sind negative Liquidationspräferenzen?

Um die rechtliche Wirkung von hurdle shares zu verstehen, muss man etwas tiefer einsteigen und zunächst einmal klären, wie man mit Hilfe von Liquidationspräferenzen bestimmte Anteilseigner bevorzugen oder benachteiligen kann (in Juristendeutsch auch „disquotale“ oder „inkongruente Ergebnisverteilung“).

Liquidationspräferenzen ermöglichen eine von den Anteilen abweichende Gewinnverteilung. Für die GmbH regelt dies der §29 Abs.3 GmbHG. Der Grund, von der Verteilung nach Anteilen abzuweichen, liegt oftmals darin, dass neue Gesellschafter (z.B. im Rahmen von Finanzierungsrunden) Ihr Risiko bzw. Ihre Renditeerwartung absichern. Diese „Bevorzugung“ der eigenen Anteile über andere, wird als Bedingung für das Investment gestellt. Alt-Gesellschafter lassen sich in der Regel darauf ein, um die Finanzierung zu sichern.

Normale Liquidationspräferenzen (LP)

In der Praxis gibt es verschiedene Formen von Liquidationspräferenzen. Hier nur einmal die gängigsten genannt:

Anrechenbare LP

Hierbei handelt es sich im Grunde um den Standard. Der Investor sichert sein Investment durch eine Liquidationspräferenz ab.

Ausgangsbeispiel:

Der Investor Vitus Cash (VC) investiert in die New Internet Stars (NIS) GmbH 5 Mio. EUR und sichert sich hierfür einen Anteil von 25%. Für die 5 Mio.  vereinbart er eine anrechenbare Liquidationspräferenz. Bei Frau Taff verbleiben die 75% Anteil.

 

Fall 1: Im Exit-Fall erzielt die NIS GmbH einen EXIT-Erlös von 50 Mio. EUR.

VC erhält im Rahmen seines Anteils 12,5 Mio. EUR. Die 5 Mio. Investment sind hierbei auf den pro rata Erlös mit 25% angerechnet.

Fall 2: Die NIS GmbH erzielt nur einen Wert von 8 Mio. EUR.

VC erhält nun, im Rahmen der Liquidationspräferenz den Wert von 5 Mio. EUR. Die LP schützt ihn hier also, da ihm ansonsten nur 2 Mio. EUR (25% von 8 Mio. EUR) zustehen würde. Frau Taff erhält trotz 75% Anteils nur den verbleibenden Betrag von 3 Mio. EUR.

Nicht anrechenbare LP

Hierbei erfolgt die Erlösverteilung im Grunde auf zwei Stufen, die voneinander unabhängig sind. Ein Investor profitiert hier idR vor den anderen Gesellschaftern. Aus diesem Grund ist die nicht-anrechenbare Liquidationspräferenz nicht so gängig.

Ausgangslage:

 

Wie im Ausgangsbeispiel, allerdings mit der Änderung das VC diesmal eine nicht-anrechenbare Liquidationspräferenz von 5 Mio. EUR hat.

 

Fall 1: Im Exit-Fall erzielt die NIS GmbH einen EXIT-Erlös von 50 Mio. EUR.

VC erhält in der 1. Stufe seine nicht-anrechenbare Liquidationspräferenz von 5 Mio. EUR zurück. Der verbleibende Anteil von 45 Mio. EUR wird nach den Anteilen pro rata aufgeteilt. Hier erhält er 11,25 Mio. EUR (25% von 45 Mio. EUR). Insgesamt also 16,25 Mio. EUR

 

Fall 2: Die NIS GmbH erzielt nur einen Wert von 8 Mio. EUR.

VC erhält nun, wie oben im Rahmen der Liquidationspräferenz den Wert von 5 Mio. EUR.  Die verbleibenden 3 Mio. EUR werden auch hier pro rata nach den Anteilen aufgeteilt, so dass VC trotz anfänglichen Invest von nur 5 Mio. EUR hier insgesamt 5,75 Mio. EUR erhält. Frau Taff erhält trotz 75% Anteils nur den verbleibenden Betrag von 2,25 Mio. EUR.

Einfache LP

Die einfache Liquidationspräferenz sichert nur das ursprüngliche Investment ohne up-lift ab. Die Gestaltung entspricht den obigen Beispielen.

Mehrfache LP

Die mehrfache Liquidationspräferenz sichert über das ursprüngliche Investment, auch eine gewisse Renditeerwarung ab. Insbesondere bei professionellen Investoren ist dies eher die Regel, wobei sich der up-lift idR. zwischen 1,1 und 1,5 bewegt.

Ausgangslage:

Wie im Ausgangsbeispiel, allerdings mit der Änderung das VC diesmal eine anrechenbare Liquidationspräferenz von 1,2 hat.

 

Fall 1: Im Exit-Fall erzielt die NIS GmbH einen EXIT-Erlös von 50 Mio. EUR. Es ändert sich nichts im Vergleich zum Ausgansfall. Zwar sind diesmal 6 Mio. EUR (5 Mio. EUR x 1,2) anrechenbar. Doch da der EXIT-Erlös über den initialen Betrag herausragt. Bekommt VC hier 12,5 Mio. EUR im Rahmen seines Anteils von 25%.

 

Fall 2: Die NIS GmbH erzielt nur einen Wert von 8 Mio. EUR.

Etwas anders sieht es allerdings im Rahmen des nicht so erfolgreichen EXITs aus. VC erhält nun den Wert von 6 Mio. EUR.  Die verbleibenden 2 Mio. EUR werden auch hier pro rata nach den Anteilen aufgeteilt, so dass VC trotz anfänglichen Invest von nur 5 Mio. EUR hier insgesamt 6,25 Mio. EUR erhält. Frau Taff erhält trotz 75% Anteils nur den verbleibenden Betrag von 1,75 Mio. EUR.

Verzinsliche oder unverzinsliche LP

Wie der Name schon sagt, wird hier das initiale und durch die Liquidationspräferenz gesicherte Investment zusätzlich mit einem Zins bedacht oder eben nicht. Der Zins wird idR. vom Tag der Kapitalauszahlung verzinst.

Ausgangslage:

Wie im Ausgangsbeispiel, allerdings mit der Änderung das VC diesmal eine anrechenbare Liquidationspräferenz mit einer Verzinsung von 10% hat. Das Investment besteht seit 3 Jahren.

 

Fall 1: Im Exit-Fall erzielt die NIS GmbH einen EXIT-Erlös von 50 Mio. EUR. Es ändert sich nichts im Vergleich zum Ausgansfall. Zwar sind diesmal 6,65 Mio. EUR (5 Mio. EUR x 1,1 x 3 Jahre) anrechenbar. Doch da der EXIT-Erlös über den initialen Betrag herausragt. Bekommt VC hier 12,5 Mio. EUR im Rahmen seines Anteils von 25%.

 

Fall 2: Die NIS GmbH erzielt nur einen Wert von 8 Mio. EUR.

Etwas anders sieht es allerdings im Rahmen des nicht so erfolgreichen EXITs aus. VC erhält nun den Wert von 6,65 Mio. EUR.  Die verbleibenden 1,35 Mio. EUR werden auch hier pro rata nach den Anteilen aufgeteilt, so dass VC trotz anfänglichen Invest von nur 5 Mio. EUR hier insgesamt 6,99 Mio. EUR erhält. Frau Taff erhält trotz 75% Anteils nur den verbleibenden Betrag von 1,01 Mio. EUR.

Negative Liquidationspräferenzen (NLP)

Die negative Liquidationspräferenz macht im Grunde das genaue Gegenteil. Bevor ein Anteilseigner aus einer Ausschüttung oder einem Unternehmensverkauf (EXIT-Szenario) einen Erlös erhält, sind zunächst die Gesellschafter an der Reihe, die als Vertragspartner agieren. Die somit belasteten Geschäftsanteile partizipieren somit (wirtschaftlich) nicht an der vergangenen, sondern nur noch an der zukünftigen Unternehmenswertentwicklung. 

Die negative Liquidationspräferenz kann, wie die „normale“ Liquidationspräferenz als disquotale Ergebnisverteilung schuldrechtlich zwischen den Gesellschaftern (Gesellschaftervereinbarung) oder im gesellschaftsrechtlich (Gesellschaftsvertrag) geregelt werden.

Frau Taff möchte gerne Ihren neuen CFO Herr Gelddruck an der NEW INTERNET STARS GmbH beteiligen. Er soll unentgeltlich 10% Anteile erhalten. Der Unternehmenswert beträgt 50 Mio. EUR.

In diesem Fall müsste Herr Gelddruck den geldwerten Vorteil von 5 Mio EUR, versteuern. (Annahme von 50% Belastung durch Steuern und Sozialabgaben). Dies würde zu einer persönlichen Belastung von ca. 2,5 Mio. EUR führen, die er sofort über die Lohnabrechnung begleichen müsste.

Die Idee ist nun, dass auf die Anteile eine negative Liquidationspräferenz von 5. Mio. EUR liegen soll. Bis zu dieser Höhe sollen Auszahlungen zunächst an Frau Taff gehen. Der Anteil wäre somit ohne geldwerten Vorteil übertragbar.

HINWEIS:

Nur bei einer gesellschaftsrechtlichen Regelung im Gesellschaftsvertrag erzielt die Vereinbarung auch dingliche Wirkung (Sachenrecht) in Bezug auf die Anteile. Dies reduziert das Risiko, dass die Anteile am Ende gar nicht mehr beim ursprünglichen Anteilseigner liegen und die Anteile und die disquotiale Gewinnverteilung bei zwei unterschiedlichen Personen liegen.

In der Praxis besteht aber meistens kein Interesse daran die disquotiale Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag zu verankern, da dieser offengelegt wird. Das lässt Rückschlüsse auf die Bewertung des Unternehmens zu. In der Praxis wird man daher auch schuldrechtlich Regelungen treffen, die eine Übertragung der Anteile an Dritte verhindern.

4. Für wenn eignen sich Hurdle oder Growth Shares?

Grundsätzlich eignen sich Hurdle Shares nur für einen kleinen Teil an Mitarbeitern. Die grundsätzliche Problematik in der Beteiligung bei einer GmbH oder UG bleibt auch hier bestehen:

  • Hoher Verwaltungsaufwand bei Fluktuation (Notarzwang)
  • Konfliktpotenzial bei Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen, insbesondere der Bewertung der Anteile
  • Hohe Formalien, z.B. bei Einladung von Gesellschafter zu Gesellschafterversammlungen und damit verbundenes Anfechtungsrisiko
  • etc.

Siehe hierzu auch: 3 Grundregeln für Abfindungsregelung im GmbH-Gesellschaftsvertrag (dawicon.de) und Mitarbeiterbeteiligung: 6 konkrete Mitarbeiterbeteiligungsmodelle! (dawicon.de)

Aus diesem Grund wird man vor allem solche Mitarbeiter Hurdle oder Growth Shares aneignen, die langfristig an der Unternehmensentwicklung und -strategie mitarbeiten sollen. Das sind in der Regel Personen der ersten Führungsebene oder Beteiligungen im Rahmen einer betrieblichen Nachfolge.  Für diese kann der Weg über die negative Liquidationspräferenzen erhebliche Vorteile bringen. Insbesondere der Vermeidung der dry-income Besteuerung. (siehe hierzu auch: „Was das wird versteuert?“ – Steuerwirkung bei Anteilserwerb (GmbH|UG) und Optionsmodellen (ESOP|VSOP) – DAWICON

Für das Unternehmen besteht somit keine Notwendigkeit z.B. eine Steuerbelastung durch einen Mitarbeiterkredit zu verauslagen, was in der Praxis oftmals erfolgt.

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5. Wenn das so einfach ist, wieso machen es dann nicht alle?

Grundsätzlich gibt es verschiedene Punkte, die gegen eine grundsätzliche Beteiligung aller Mitarbeiter über Hurdle Shares spricht:

  • Wie erläutert handelt es sich um echte Anteile. Damit verbunden sind die formalen, (z.B. Notargang und Verwaltungskosten) und praktische Probleme. So sollen GmbH-Anteile zumeist nur in den Händen weniger verbleiben, um das Unternehmen nach wie vor praktikabel steuern zu können. Möchte man größere Gruppen von Mitarbeitern beteiligen, so bieten sich andere Modelle eher an. Insbesondere die Aktiengesellschaft und die Beteiligung über virtuelle Beteiligungen und Optionen
  • Die Unternehmensbewertung des Anteils spielt bei der Ausgestaltung eine wichtige Rolle. Ist diese zu niedrig oder nicht nach den steuerlichen Regelungen, so kann es böse Überraschungen geben und die Besteuerung findet nachträglich statt.
  • Um Rechtssicherheit zu erlangen, sollte im Vorfeld die Kommunikation mit dem Betriebsfinanzamt gesucht werden.

6. Was sind die Voraussetzungen?

Die Voraussetzungen sind im Grunde schon benannt worden.

  1. Zunächst bedarf es einer Vereinbarung über die negative Liquidationspräferenz in der Gesellschaftervereinbarung oder der Gesellschaftssatzung. Aufgrund der Publikationspflicht der Satzung und den damit verbundenen Rückschluss auf die Unternehmensbewertung, wird man in der Praxis jedoch regelmäßig eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern finden.
  2. Ohne eine Bewertung der Anteile kann man die Höhe der negativen Liquidationspräferenz nicht bestimmen. Hierbei liefert 9ff. BewG einige Hinweise. Einfach wird es, wenn es einen Verkauf von Anteilen gab, der nicht länger als ein Jahr zurück liegt (§11 Abs.2 BewG) und als Bewertungsgrundlage genommen werden kann. In vielen Fällen liegt dieser jedoch nicht vor. Für diesen Fall muss entweder das vereinfachte Ertragswertverfahren oder aber ein anerkanntes Verfahren der Unternehmensbewertung, z.B. Ertragswert- oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren angewendet werden.

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3. Für die Rechtssicherheit sollte bei den zuständigen Finanzämtern vor der Umsetzung, ein Lohnsteueranrufungsauskunft (42e EstG) oder eine verbindliche Auskunft (§89 Abs.2 AO) eingeholt werden. Diese gibt Rechtssicherheit und hat Bindungswirkung.

PRAXISHINWEIS:

Antworten auf diese Auskunftsverfahren kann von wenigen Wochen, gerne auch einmal mehrere Monate dauern. In dieser Zeit kann es aber schon zu erheblichen Wertsteigerungen gekommen sein, an denen der Mitarbeiter dann nicht profitiert, da er/sie noch keine eingetragenen Anteile besitzen. Ggf. lässt sich dieses Risiko lässt in der Gesellschaftervereinbarung bereits vorwegnehmen.

7. Fazit

Die Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen mit Hilfe von Hurde Shares oder Growth shares, über negativen Liquidationspräferenzen kann ein probates Mittel sein, um einige wenige Mitarbeiter am Unternehmen zu beteiligen. Es muss aber bedacht werden, dass die Gestaltung mit einigen formellen Hürden bedacht ist. Insbesondere die Unternehmensbewertung, die gesellschaftsrechtliche Umsetzung und die Herstellung von steuerlicher Rechtsverbindlichkeit. Hierfür muss im Vorfeld die Kommunikation mit dem Finanzamt erfolgen und die Gestaltung offengelegt werden.

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